Sandra Euringer
Coaching & Training - Kreativtherapie - Yoga Nidra - Self Care - hub2hub

2022-12-02

Picos de Europa

26.11.-1.12.22
Bereits auf der Fahrt nach Burgos war mein nächstes Ziel klar. Zunächst aber spielte das Navi meines nagelneuen Mietwagen Upgrades völlig verrückt und zeigte mir Abfahrten an, die offensichtlich erst noch im Entstehen waren. Ich wich auf Google Maps aus und dann fuhr ich plötzlich durch all die letzten Orte, die mir auf dem Camino begegnet waren; wie eine Zeitreise rückwärts. Ich brauchte eine Weile um zu verstehen, warum ich nicht auf dem schnellsten Weg auf die Autobahn geleitet wurde, denn anfangs fand ich es auch schön, in den Erinnerungen zu schwelgen. Google Maps auf meinem Handy hatte in den letzten Wochen immer den Fußgänger Modus benutzt, daher wurde ich auch durch all die bekannten Orte am Camino gelotst … immerhin, irgendwann war ich auf der Autobahn und dann spielte auch das Navi wieder mit. Auf der Fahrt schien die Sonne und links von mir sah ich in der Ferne die Berge. Es sah wunderschön aus und da in den letzten Wochen die spanischen Wettervorhersagen meistens falsch gewesen waren, beschloss ich trotz Dauerregenankündigung am nächsten Tag weiter zu den Picos zu fahren.

Kurz bevor ich in Burgos mit meinem Auto losfuhr, hatte ich versucht, noch eine Unterkunft für die nächsten Tage zu finden. Nach den letzten Wochen wünschte ich mir für Tara und mich ein Nest zum Ausruhen und Ankommen. Aber die Unterkünfte waren recht teuer und bei keinem Angebot hatte ich ein gutes Gefühl. Also beschloss ich auf mein Bauchgefühl zu hören und einfach loszufahren … auch den Vorschlag meines Navis ignorierte ich und fuhr bei der empfohlenen Abzweigung nicht auf der Autobahn weiter sondern direkt in Richtung Berge. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis mein Navi sich meinem Willen gebeugt hatte und eine zeitlich deutlich längere Wegstrecke anzeigte. Die Landschaft durch die kleinen Dörfer war wie eine Reise in eine andere Zeit. Als Zielort hatte ich Arenas de Cabrales eingegeben, da von dort aus einige Touren starteten. Als ich ankam regnete es in Strömen und es war bereits kurz vor 17 Uhr. Auf dem Weg war ich an vielen geschlossenen Restaurants und Hotels vorbeigekommen, es war klar, die Saison war auch hier vorbei. Ich googelte wieder nach Unterkünften in der Umgebung, aber nichts passte richtig. Dann wurde mir ein Hotel in 20 km Entfernung angeboten: Die Bilder sahen sehr einladend aus und der Preis war es auch: ein 4 Sterne Hotel, das wie ein Schloss aussah, sehr gute Bewertungen hatte und nur 37 Euro/ Nacht kostete … und Hunde aufnahm. Ich buchte und 45 Minuten später kamen wir an: das Hotel lag außerhalb des Dorfes Covadunga oben auf dem Berg direkt neben einem mehrere Hundert Jahre alten Wallfahrtsort samt Basilika. Wir bekamen ein Zimmer, das so groß war, dass ich darin tanzen konnte, die Ausstattung war noch schöner als auf den Bildern und der Blick in die Berge und ins Tal waren es auch. Nach den letzten Wochen fühlte sich das Hotel wie ein Geschenk an.

Die junge Frau an der Rezeption war sehr hilfsbereit und gab mir gleich Empfehlungen für Wandertouren. Dass ich ursprünglich nur Ausspannen wollte, war vergessen. Die Landschaft war atemberaubend schön!
Am folgenden Tag fuhr ich zunächst zu den beiden Seen, die hoch oben in den Picos lagen. Der Weg dorthin schlängelte sich über 12 km und anfangs reagierte Tara in ihrem Körbchen noch auf meine Entzückungsausrufe aber irgendwann blieb sie völlig unbeeindruckt liegen. Es dauerte nicht lange und die Wolkendecke öffnete sich und zumindest teilweise schien auch die Sonne. Außer uns zählte ich noch 7 andere Autos aber in der Hochsaison war das Besucherzentrum für Hunderte von Autos ausgelegt. Die Seen waren teilweise von Felsen gesäumt und auf den sie umgebenden Wiesen grasten Pferde, die sich durch uns nicht stören ließen. In den weiteren Tagen besuchten wir auch die Ruta del Cares, ein Wanderweg, der sich an den schroffen Felshängen entlangschlängelt, mehrere Bergdörfer, das Tal Vega de Orendi, von wo aus der Fluss, der die heilige Quelle des Wallfahrtsortes speist, in die Felsenhöhle eintritt und die Erfüllung von Wünschen verspricht. Und am letzten Tag nochmals meinen Lieblingsort: die Seen oberhalb von Covadunga, unserem kleines Nest in den Picos.
Bisher war ich nur spanischen Besuchern begegnet aber an meinem letzten Tag nahm ich einen Anhalter mit: Tim kam aus Australien und hatte zwischendurch mehrere Jahre in Spanien gelebt. So wie mir mit Australien ging es ihm mit Spanien. Er war froh wieder in seine Ursprungsheimat zurückgekehrt zu sein. Manchmal braucht es eben eine Auszeit, um Fuß fassen zu können.

Tagsüber wanderte ich mit Tara und abends setzte ich mich zum Meditieren noch in die Grotte. Die Energie an diesem Ort war etwas Besonderes. In der Kathedrale in Santiago de Compostela hatte ich nichts Vergleichbares gespürt; es war einfach das Ende des Caminos gewesen und die Verbindung zu den anderen Pilgern, die den Ort für mich zu etwas Besonderem machten. In Covadunga setzte ich mich in die Grotte und war jedes Mal in eine tiefe Meditation eingetaucht. Es war ein Kraftort und vor allem einer, der jetzt fast unbesucht war.
Als ich an meinem letzten Tag oben an den Seen zu einer längeren Tour gestartet war, hatte ich mich zwischendurch sehr auf den felsigen Weg konzentrieren müssen. Dann hielt ich inne – und war einfach nur von Stille umgeben – es war als ob alle Geräusche einfach aufgehört hätten. Ich bewegte mich nicht. Alles hatte angehalten – auch die Gedanken – es war einfach ein Wahrnehmen, ein Sein. Und dann ganz langsam, wie ein sanfter Übergang, nahm ich Taras Atem wahr und auch meine Umgebung füllte sich wieder mit Geräuschen. 

Während meines Aufenthaltes hatte ich auch die Messe in der Basilika besucht: In den ersten beiden Reihen hatten die Novizinnen gesessen, die hier ausgebildet wurden. Ansonsten gab es außer mir noch eine weitere Besucherin. Die Messe selbst wurde von 3 Priestern geleitet, 5 ältere Nonnen saßen etwas abseits. Es fühlte sich für mich eher wie Religionsunterricht von früher an: ein Priester las etwas vor und die Novizinnen antworteten, indem sie im Chor den Text in ihren Händen wiedergaben. Wieviel davon war bereits auswendig gelernt, und wieviel echte Erfahrung steckte dahinter?

In meinen Trainings bitte ich meine TeilnehmerInnen anfangs, eine Situation zu nennen, in der sie eine tiefe Verbindung gespürt haben; eine Verbindung mit dem Leben, die über das kleine „ich“ hinausgeht. Und bisher hatte jede/r eine solche Erfahrung benennen können, auch oder vielleicht gerade weil diese Situationen sehr individuell waren. Was wäre, wenn wir den Fokus viel mehr auf das richten, was wir bereits erfahren haben und diese Selbst-Erfahrung weiter stärken anstatt etwas Unbekanntes und Vorgegebenes auswendig zu lernen? Vielleicht wären wir dann auf eine ganz natürliche Art viel resilienter und lebendiger.

Covadunga fühlte sich nach 5 Tagen wie ein kleines Zuhause an und der Camino schien bereits Monate zurück zu liegen und gleichzeitig war ich bereit und gespannt auf das Neue. Wieder hatte ich vorab keine Unterkunft gefunden; ich wusste noch nicht einmal, wo meine erste Station auf dem Weg nach Sintra sein sollte. Aber auch das würde sich finden.

Admin - 10:52:30 | Kommentar hinzufügen

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Am 26.09.22 geht es los...

Gästebuch

Michael Fetzer
12.10.2022 18:15:22
Ups, da machst du ja 'Erfahrungen' im Sauseschritt!
Zum Glück scheinst du koerperlich noch so fit, deine Reise fortsetzen zu koennen. Und vermutlich bist du in dir schon an Punkte gelangt, wo du bisher gar nicht wusstest, dass es sie gibt...
Und ein (oder mehrere) aussergewoehnlicher Schutzengel scheint dich zu begleiten. Gut zu wissen.
Weiterhin gutes Gelingen und auf einen Austausch, der wahrscheinlich Tage dauert :-)
Michael Fetzer
02.10.2022 14:44:04
Hallo liebe Sandra, wahrscheinlich eignet sich Norwegen wie kaum ein anderes Land, im Durchwandern zu sehen - gehen zu lassen - sich erinnern - loszulassen...
Sehen, erspüren, hinein- und hinausgehen. Der Prozess von Lebendigkeit ein- und ausatmen. Sich einlassen, im Tun die Wirkung erfahren und zu neuen Horizonten aufbrechen.
Eigentlich alles ganz einfach :-)

Schön, dass du dir Zeit und Raum nimmst, wieder tiefer einzutauchen: in dich, deine Fragen, deine Schritte, deine Wünsche, deine Perspektiven.
Egal was kommt, es wird gut!
Stärkende Grüße, Michael