Sandra Euringer
Coaching & Training - Kreativtherapie - Yoga Nidra - Self Care - hub2hub

2022-11-18

Lösungen, die von alleine kommen

14.11.22 -17.11.22
Die Unterkünfte auf dem Camino mit Hund im November lassen sich in 3 Kategorien einteilen: 1. sehr einfache Gemeindeherbergen in denen Hunde geduldet werden und in denen Stockbetten samt nächtlichem Schnarchkonzert stattfinden, 2. Herbergen in denen Hundehaltern für einen geringen Aufpreis ein eigenes Zimmer zur Verfügung gestellt wird und 3. Hotels oder Hostels zu den entsprechend deutlich höheren Preisen mit einem zusätzlichen Hundeaufpreis. Leider hatten mittlerweile auch viele Unterkünfte bereits geschlossen, so dass ich oft keine Wahl hatte, als das zu nehmen, was es gab. Dadurch war ich in meinem täglichen Laufpensum eingeschränkt, da ich das Zelt um diese Jahreszeit einfach als absolute Notvariante sah. Vertrauen und annehmen, was ist!
Nach dem Genuss einer Übernachtung in einem liebevoll renovierten alten Gutshof folgte am 15. die bisher herausforderndste Nacht in einer öffentlichen Herberge. Trotz Camino App Vorhersagen hatten in Rabanal del Camino alle Unterkünfte bis auf die Gemeindeherberge geschlossen und dort waren Hunde offiziell nicht erlaubt. Nach knapp 30 km wollten meine Füße nur noch ankommen und die junge Betreuerin war so nett alle anderen Pilger einzeln zu fragen, ob Tara mit mir im einzigen Schlafsaal mit Stockbetten übernachten könnte. Ich schätzte mich glücklich als keiner etwas dagegen hatte, aber bemerkte zu spät, dass der spanische Pilger im Bett neben mir (1 Meter entfernt) sehr stark erkältet war. Der Raum war relativ klein und wurde von einem Holzofen beheizt, d.h. die Luft war nicht gerade frisch. Ebenso gab es nur zwei Toiletten mit Dusche, d.h. die Wahrscheinlichkeit, der Virenübertragung war nicht gering und auch an mir war Corona nicht spurlos vorbeigegangen: Was würde passieren, wenn der Spanier Corona hatte? Was sollte ich machen, wenn ich mich ansteckte? Die ersten Stunden veränderte ich meine Liegeposition indem ich meinen Kopf ans eigentliche Fußende positionierte, aber da ich dann nachts trotzdem vom Ofen angestrahlt wurde, war das auch nicht Schlaf fördernd. Ich lag fast die ganze Nacht wach, hörte, wie mein Nachbar zwischendurch immer wieder Medikamente schluckte, nachts im Bad versuchte, den Schleim abzuhusten und ansonsten intensiv schnarchte. Gegen 6 Uhr packte ich im Dunkeln meine Sachen und war um 7 Uhr als es draußen noch völlig dunkel war unterwegs nach Foncebadón.
Auf dem Weg erlebte ich einen wunderschönen Sonnenaufgang über den Bergen und hoffte auf ein Frühstück bevor es weiter zum berühmtem Cruz de Ferro gehen sollte. Das kleine Eisenkreuz steht auf einem riesigen Eichenpfahl auf einem Steinhaufen und gehört zu den wichtigsten Orten auf dem Camino. Pilger können sich, symbolisch über mitgebrachte Steine, die sie dort ablegen, von ihren Lasten befreien. Ich hatte selbst 5 Steine dabei!
In Foncebadón traf ich auf bekannte Gesichter, aber ein Frühstück bekam ich leider nicht. Vielleicht sollte das einfach so sein – der Weg zum Kreuz war steinig und die Nacht war es auch gewesen. Ich beobachtete meine Gedanken und bemerkte sehr deutlich den Unterschied zu Tagen, an denen ich morgens mit Meditationspraxis gestartet war.
Am Kreuz war es neblig und kalt. Eine Pilgerin, die ich schon vor einigen Tagen kennengelernt hatte, kam, nachdem sie ihren Stein abgelegt hatte, mit Tränen zu uns und fragte, ob sie Tara streicheln dürfte, das bräuchte sie jetzt. Und Tara war natürlich ganz bei ihr.
Nach meinem eigenen Ritual am Kreuz hob sich meine Stimmung trotz immer noch hungrigem Magen und ich kam in einen Laufflow; auch die Entzündungen der letzten Tage in meinen Füßen störten nicht mehr. Die meiste Zeit folgte ich der Straße, da der Pilgerpfad sehr steinig und uneben war. Zum Glück, wie sich wenig später herausstellen sollte. Als es Stunden später in mehreren Dörfern immer noch keine Verpflegungsmöglichkeiten gegeben hatte, sah ich, mittlerweile schon sehr hungrig ein Restaurantschild in Riego de Ambros und als ich kurz vor dem Eingang um die Ecke bog, brach die linke Haltestange meines Trailers in der Mitte entzwei. Genau dort, wo sie sich in Norwegen verbogen hatte. Wäre das Ganze eine halbe Stunde früher passiert, hätte ich hoch oben am Berg ein ziemliches Problem gehabt. So beschloss ich erst einmal etwas zu essen und dann darüber nachzudenken, wie ich weiterkommen sollte.
Im Restaurant traf ich auf Alberto, denn ich bereits seit Anfang des Caminos kannte. Vorher hatten wir immer nur kurz miteinander gesprochen aber beim Essen ergab sich ein sehr schönes und intensives Gespräch über seine letzten Monate, in denen kurz aufeinander erst seine Mutter, dann sein Onkel gestorben war und er im Burn out gelandet war, bevor er seine Sachen gepackt und auf dem Camino gestartet war.
Während des Essens hatte ich tatsächlich nicht über meinen Trailer nachgedacht.
Mir kam die Idee, zunächst einen langen Stock am abgebrochenen Stück der Halterung zu fixieren und damit hoffentlich in eine größere Stadt zu kommen. Die Kellnerin war sehr hilfsbereit und schenkte mir einen roten alten Besenstock und gab mir dazu noch schwarzes Fixiertape. Das sah witzig aus und es schien zu halten! Später erweiterte ich das Ganze noch um einen Halte- bzw. Ziehgurt, damit ich den Trailer auch am Berg und felsigen Stücken hinter mir herziehen konnte.
In Molinaseca bekam ich zum Glück noch eine Unterkunft in einer geöffneten hundeliebenden Pension. Kurz darauf stellte mich der Besitzer einem gerade eingetroffenen weiteren Pilger mit Hund vor: Daniel mit Malé. Wir hatten uns bereits am Morgen aus der Ferne in Foncebadón zugewinkt als sich unsere Hunde begrüßt hatten. Eigentlich wollte er dort noch ein paar Monate mit seinem Hund überwintern und in einer Herberge mitarbeiten, aber dann hatte er nach einer Auseinandersetzung mit der deutschen Herbergsmutter beschlossen, spontan weiterzureisen. Er reiste seit 4 ½ Monaten ab Deutschland ohne Geld, arbeitete zwischendurch gegen Kost und Logie oder lebte von dem, was er in der Natur fand oder was er und Malé geschenkt bekamen.
Er hatte den Pensionsbesitzer einfach nach einer kostenlosen Unterkunft gefragt und im Gegenzug hatte er ihm die gesammelten Pilze angeboten. José, der brasilianische Besitzer der Pension, meinte, dass er das ab und an schon mal machen würde und hatte Daniel vorgeschlagen, mich zum Pilzessen einzuladen, da der Supermarkt bereits geschlossen hatte. Ich nahm die Einladung gerne an, denn hungrig war ich immer noch. Beim Essen erzählte mir Daniel, dass er wenige Stunden vorher mit einem Fliegenpilz bewusstseinserweiternde Experimente ausprobiert hatte. Offensichtlich gab es eine Lichttheorie über Jesus, die die Lichtererfahrungen auf den Konsum von Fliegenpilzen zurückführte. Das war mir neu und ich sagte ihm auch wie wenig ich davon hielt! Daniel hatte das Experiment gut überstanden und außer Hitzewallungen war auch nichts passiert. Und die mitgebrachten Pilze schmeckten sehr lecker. Auch er berichtete mir von vielen „Zufällen“ die ihm immer wieder das schenkten, was er gerade benötigte.
Am nächsten Morgen hatte er vorgeschlagen, gemeinsam weiterzulaufen. Es gibt sehr viele Pilger, die in Gruppen laufen. Ich habe nichts dagegen zwischendurch Gespräche zu führen, ganz im Gegenteil, ich genoss es sehr nach Corona so entspannt wieder in Kontakt gehen zu können. Gleichzeitig wollte ich während des Laufens ganz bei mir sein können, ohne Ablenkung, um mich einzulassen, auf das, was ist oder entstehen will. Gemeinsame Gespräche empfand ich dabei als störend. Und auf dem Camino war es völlig in Ordnung, das so offen anzusprechen. Daniel konnte gut nachvollziehen, was ich meinte. Wir würden uns wiedersehen, wenn es sein sollte.
In Ponferrada machte ich Frühstückspause, sah wieder Bilder von meiner ersten Pilgerreise mit meinem Sohn an mir vorbeiziehen und wurde an diesem Morgen von sehr vielen Spaniern auf das gemeinsame Pilgern mit Hund angesprochen. Dabei erfuhr ich auch, dass ich für Tara eine Urkunde bekommen könnte. Nur wofür? Tara war das sichtlich egal.
Als ich in meiner Pension ankam, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl für die weitere morgige Etappe keine Unterkunft zu finden. Viele hatten bereits geschlossen oder nahmen keine Pilger mit Hunden auf. Ich hatte im Umkreis bis zu 30 km alles abtelefoniert. In einer Pension bekam ich dann den Tipp in einer bereits geschlossenen Herberge anzurufen. Und dann kam die erlösende Antwort: ja, sie würde nur für Tara und mich nochmal öffnen, da sie wusste wie schwierig es um diese Zeit mit Hund sei. Diese Momente machten für mich den großen Unterschied; Menschen, die auf dem Camino selbstverständlich anderen helfen und unterstützend miteinander in Resonanz gehen.

Admin - 09:19:53 | Kommentar hinzufügen

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Am 26.09.22 geht es los...

Gästebuch

Michael Fetzer
12.10.2022 18:15:22
Ups, da machst du ja 'Erfahrungen' im Sauseschritt!
Zum Glück scheinst du koerperlich noch so fit, deine Reise fortsetzen zu koennen. Und vermutlich bist du in dir schon an Punkte gelangt, wo du bisher gar nicht wusstest, dass es sie gibt...
Und ein (oder mehrere) aussergewoehnlicher Schutzengel scheint dich zu begleiten. Gut zu wissen.
Weiterhin gutes Gelingen und auf einen Austausch, der wahrscheinlich Tage dauert :-)
Michael Fetzer
02.10.2022 14:44:04
Hallo liebe Sandra, wahrscheinlich eignet sich Norwegen wie kaum ein anderes Land, im Durchwandern zu sehen - gehen zu lassen - sich erinnern - loszulassen...
Sehen, erspüren, hinein- und hinausgehen. Der Prozess von Lebendigkeit ein- und ausatmen. Sich einlassen, im Tun die Wirkung erfahren und zu neuen Horizonten aufbrechen.
Eigentlich alles ganz einfach :-)

Schön, dass du dir Zeit und Raum nimmst, wieder tiefer einzutauchen: in dich, deine Fragen, deine Schritte, deine Wünsche, deine Perspektiven.
Egal was kommt, es wird gut!
Stärkende Grüße, Michael