Sandra Euringer
Coaching & Training - Kreativtherapie - Yoga Nidra - Self Care - hub2hub

2022-10-23

Bauchgefühl und Sonnenschein

20.10.22
Zunächst bekam ich am Morgen meine Pilgerurkunde, den Olavsbrev, und meinen Pilgerpass mit all den unterschiedlichen offiziellen Stempeln und dem goldenen Ticket für Trondheim ausgehändigt. Dann durfte ich mich mit einem Pin auf der großen Weltkarte im Salon verewigen aber als die Managerin auch noch ein Foto von mir mit der Urkunde in der Hand machen wollten, winkte ich dankend ab. Ich kam mir ein bisschen wie in Australien vor; mit Stickern überhäuft. Leider halfen die vielen Sticker aber nicht dabei, für das bereits seit Wochen ausverkaufte Konzert in der Nidaros Kathedrale ein zusätzliches Ticket zu bekommen. Die Priesterin hatte sich sogar selbst darum bemüht als wir in der Kathedrale ins Gespräch gekommen waren, konnte aber gegen die Regelungen des Veranstalters dann doch nichts bewirken. Die Hilfsbereitschaft und die ruhige ausgeglichene Freundlichkeit der Norweger hat für mich etwas sehr Lebendiges und war gleichzeitig durch eine Offenheit geprägt, die mich an Kinder erinnerte; Kinder, die einfach spielerisch ein Problem lösen wollen … als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt … und das schaffte eine sehr angenehme Verbindung, ob es sich jetzt um einen Busfahrer, eine Priesterin oder einen Mitarbeiter im Supermarkt handelte. Es war ein bewusstes miteinander Sein – vielleicht ist das auch die einfachste Erklärung für die hohe empfundene Lebensqualität in Norwegen – menschliche Kontakte werden sehr bewusst und authentisch gelebt und das schafft Freude und Lebensqualität.
In Bezug auf meine weiteren Reisepläne nannten mir die Mitarbeiterinnen des Pilgerzentrums die Anlaufstelle vom Trondhjems Turistforening, Teil einer Organisation, die in Norwegen seinen Mitgliedern einen Zentralschlüssel für mehrere Hundert Hütten in ganz Norwegen zur Verfügung stellt, die für die Mitglieder kostengünstig genutzt werden können und auch für Nicht-Mitglieder zugänglich sind. Als ich dem netten Mitarbeiter von meinen Plänen berichtete, schlug er mir eine Reiseroute vor und ausgestattet mit Zentralschlüssel und detaillierter Wanderkarte zog ich kurz darauf mit Tara los, um Proviant für die nächste Woche zu besorgen. Mein Autopilot plante und kaufte und als ich mittags wieder zurück im Hotel war, hatte ich so ein Bauchgefühl, das mich innehalten ließ. Bis ich in besagter wunderschöner Hütte am See ankommen würde, brauchte ich 3 Tage und dann war noch unklar wie ich wieder nach Trondheim zurückkommen sollte, denn der öffentliche Nahverkehr war nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen, zumindest nicht nach meinen letzten Erfahrungen.
Spannenderweise hatte ich am Tag zuvor, als ich mit dem Bus zur letzten Tagesetappe vor Trondheim gefahren war, an der Bushaltestelle eine Engländerin getroffen, die mich fragte, ob das die richtige Haltestelle für den Bus nach Molde sei. Da ich mich ja selbst nicht auskannte, gingen wir zusammen durch die Reisebeschreibungen und obwohl der Bus an der Tafel nicht angezeigt wurde, fanden wir einen Hinweis, dass die Buslinie hier halten würde. Ich hatte noch nie vorher von Molde gelesen und als ich es wenig später googelte, waren die Bilder, die ich sah, genau das, was ich mit Norwegen verband, bisher aber auf dem Pilgerweg noch nicht gesehen hatte: schneebedeckte Berggipfel umgeben von Fjorden. Und diese Bilder tauchten immer wieder in meinem Kopf auf, ließen mich nicht los und stellten mich vor die Frage, ob ich nicht einfach meinem Bauchgefühl folgen sollte, trotz Generalschlüssel für die Hütten und Suppenproviant zum Abwinken. Die Engländerin hatte mir berichtet wie schwierig es gewesen war als Nicht-Norwegerin ein Ticket für diese Buslinie zu buchen – hier läuft alles online und über Handykonten- aber als ich bei der Info anrief, stellte sich das als völlig unproblematisch heraus und mir wurde bestätigt, dass ich direkt ein Ticket für Tara und mich im Bus kaufen könnte.
Da meine Pilgerreise in Spanien noch weitergehen sollte und ich auch in den Piccos wandern wollte, beschloss ich spontan das Wandern und die Hüttenauszeit aufzuschieben und meinem Bauchgefühl zu folgen. Wie gut!

21.10.22
Allein die Fahrt nach Molde war ein einziger Traum: es war ein Tag voller Sonnenschein und die knapp 5 stündige Fahrt samt Fähre verflog viel zu schnell. Es ist lange her, dass ich vor Begeisterung Bilder aus einem fahrenden Bus gemacht hatte, aber ich war völlig berauscht von der Schönheit, die an mir vorbeizog. In diesem Zustand kam ich dann auch am Informationsschalter in Molde an, um mir Infos für mögliche Unterkünfte geben zu lassen, denn bisher hatte ich noch nichts reserviert. Zunächst war die Mitarbeiterin am Schalter eher zurückhaltend, aber als ich sie fragte, ob ihr die Schönheit von der sie umgeben ist, denn bewusst ist, oder ob das mit der Zeit nachlassen würde, vertiefte sich unser Gespräch und sie berichtete mir, dass sie ein Haus mit Blick auf die Berge und das Wasser hatte, und dass das Wetter an diesem Tag auch für Molde besonders beindruckend war.
Ausgestattet mit Karten und Infomaterial lief ich zum 4 km entfernten Campingplatz, der mir vorher noch eine freie Kabine telefonisch zugesagt hatte… Und dann saß ich einfach mit Tara am Wasser, genoss die besondere Atmosphäre, machte Bilder und freute mich über mein Bauchgefühl.

22.10.22
Wir bzw. ich schlief zum ersten Mal seit langem wieder aus, meditierte in Ruhe und startete dann erst gegen 13 Uhr meine Tour zum Aussichtspunkt oberhalb von Molde… dieses Mal war ich nicht alleine unterwegs; vom Aussichtspunkt Varden (407 m ü. M.) kann man nicht nur Molde sehen, sondern den Fjord mit Holmen und das berühmte Moldepanorama mit 222 teilweise schneebedeckten Gipfeln, und das alles wieder bei strahlendem Sonnenschein. Viel mehr unternahm ich auch nicht, ich hatte genug Verpflegung für Tara und mich dabei und zwischendurch tauchte ich wieder in die Sutren von Patanjali ein:  ich konzentrierte mich auf das Panorama vor mir, tauchte ein in die Schönheit und dann war es irgendwann völlig unwichtig ob es schön war oder nicht… ich merkte, erst wieder als ich auftauchte, dass sich meine Augen geschlossen hatten und erst dann nahm ich auch wieder die Gespräche von dem Norwegerpärchen mit einer Freundin wahr, die erst später zu den beiden gestoßen war … obwohl ich kein Norwegisch sprach, verstand ich in diesem Moment, dass sie ihrer Freundin sagten, dass ich wohl nur Englisch verstehen würde (ich hatte mit Tara vorher auf Englisch gesprochen) und dann erzählte die Frau ihrer Freundin von dem Krebsbefund und der Mammographie … Ich nahm einfach nur wahr, dass ich in dem Moment das Gespräch verstand und dann ließ ich auch die Konzentration darauf wieder los …ich erinnerte mich an ein Vipassana Retreat, bei dem ich mich am Ende mit zwei TeilnehmerInnen, die ihre Plätze während des Retreats vor meinem hatten, sehr tief verbunden gefühlt hatte, obwohl wir erst am letzten Tag miteinander sprechen konnten. Die Verbindung, die jenseits der Worte passieren kann, wenn wir uns darauf einlassen, geht so viel tiefer, als wenn wir uns nur auf die Worte, die wir hören oder das, was wir selbst mitteilen wollen, konzentrieren. Plötzlich entsteht etwas, das vorher noch nicht bewusst war … wenn das im Miteinander mit einem Menschen passieren kann, ist es eine der schönsten Erfahrungen, die wir als Mensch geschenkt bekommen können.
Am Abend bekam ich von meiner Aurora –App noch den Hinweis zugeschickt, dass Aussicht auf Polarlichter bestehen würde. Die App wechselte dann etwa alle halbe Stunde ihre Wahrscheinlichkeitsprognosen. Das Problem waren die Wolken und am Abend hatten sie deutlich zugezogen. Gegen 23 Uhr beschloss ich zu schlafen und stellte mir den Wecker auf 5 Uhr, da sich dann nochmal die Wahrscheinlichkeit erhöhen sollte … und dann weckte mich Tara bereits um 4:45 Uhr weil sie nach draußen musste … und tatsächlich sah ich am Horizont ein sehr leichtes grünliches Schimmern an zwei Stellen. Der Himmel war zwar teilweise immer noch bedeckt, aber die Wolkendecke hatte sich deutlich aufgelockert. Das Ganze war jetzt nicht unbedingt sehr beeindruckend, aber immerhin ein Anfang. Gegen 5.15 Uhr hatte es sich auch leicht verstärkt und ich versuchte mich trotz der Kälte einfach zu entspannen und zu genießen… Und dann bedankte ich mich und ging wieder ins Bett (denn laut App nahm die Wahrscheinlichkeit wieder ab).

23.10.22
Am Wochenende scheint der öffentliche Nahverkehr in Norwegen still zu stehen; alle Versuche um zum Atlanterhavsvegen, der architektonisch kunstvollen Verbindung von mehreren Inseln über 7 Brücken zu gelangen, scheiterten. Also legten wir einfach einen weiteren Ruhetag ein und ich versuchte so nebenbei herauszufinden, wie wir möglichst einfach und schnell nach Spanien kommen könnten. Aber das stellte sich mit Hund als gar nicht so einfach da. Ich beschloss also, direkt zum Flughafen in Oslo zu fahren und zu fragen … immerhin hätte es in Trondheim die Möglichkeit gegeben vor Ort eine Transportbox für Tara zu kaufen … wenn in Trondheim, dann vielleicht auch in Oslo dachte ich mir … Lösungen gab es bestimmt schon, nur konnte ich sie noch nicht sehen.

Admin - 22:06:55 | Kommentar hinzufügen

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Am 26.09.22 geht es los...

Gästebuch

Michael Fetzer
12.10.2022 18:15:22
Ups, da machst du ja 'Erfahrungen' im Sauseschritt!
Zum Glück scheinst du koerperlich noch so fit, deine Reise fortsetzen zu koennen. Und vermutlich bist du in dir schon an Punkte gelangt, wo du bisher gar nicht wusstest, dass es sie gibt...
Und ein (oder mehrere) aussergewoehnlicher Schutzengel scheint dich zu begleiten. Gut zu wissen.
Weiterhin gutes Gelingen und auf einen Austausch, der wahrscheinlich Tage dauert :-)
Michael Fetzer
02.10.2022 14:44:04
Hallo liebe Sandra, wahrscheinlich eignet sich Norwegen wie kaum ein anderes Land, im Durchwandern zu sehen - gehen zu lassen - sich erinnern - loszulassen...
Sehen, erspüren, hinein- und hinausgehen. Der Prozess von Lebendigkeit ein- und ausatmen. Sich einlassen, im Tun die Wirkung erfahren und zu neuen Horizonten aufbrechen.
Eigentlich alles ganz einfach :-)

Schön, dass du dir Zeit und Raum nimmst, wieder tiefer einzutauchen: in dich, deine Fragen, deine Schritte, deine Wünsche, deine Perspektiven.
Egal was kommt, es wird gut!
Stärkende Grüße, Michael